Eine neue Medizin braucht das Land
Systemfehler im Gesundheitswesen | Patienteninteressen versus Marktinteressen | Auswirkungen von mangelhafter Interpretation von Forschungsergebnissen | Plädoyer zur radikalen Umkehr und zu einer sinnvollen Medizin
Heidelberg, 13. Februar 2019
Immer höher, weiter, schneller – die Erfolgsmeldungen – in allen Bereichen unseres Lebens überschlagen sich – auch in der Medizin. Wie oft geschieht es, dass gut gemachte klinische Studienergebnisse vorliegen mit zahlreichen validen Daten. Aber: sind die Schlüsse, die daraus gezogen werden, denn auch wirklich stimmig? Was ist, wenn die Interpretationen mehr dazu dienen sollen, die Messlatte der Rekorde immer höher anzusetzen? Was ist, wenn Marktinteressen über denen der Patienten stehen? Und was ist, wenn dabei der ureigene Sinn der Medizin – nämlich Gesundheit zu erhalten bzw. Krankheit zu heilen, verloren geht? Lässt sich dies Rad zurückdrehen, so dass Mensch und Wohlergehen wieder im Mittelpunkt aller Bestrebungen stehen? Peter Paul Nawroth deckt in seinem aktuellen Springerbuch Gebt der Medizin ihren Sinn zurück! Systemfehler auf, fordert ein radikales Umdenken und zeigt schließlich Lösungen auf.
“Würden alle Erfolgsmeldungen über Forschungsergebnisse stimmen, die wir in den Medien tagtäglich zu lesen bekommen, dann wäre der Mensch schon längst unsterblich,” räumt Peter Paul Nawroth zu Anfangs seines Buches ein. Das Bestreben möglichst schnell mit Positivnachrichten in die breite Öffentlichkeit zu treten, ist laut Nawroth nur ein Systemfehler von vielen. Außer Frage steht: Eine humane Medizin wird es nicht ohne Wissenschaft geben. Ausführlich und anhand zahlreicher Beispiele aus der Praxis geht er auf Schwachstellen wie beispielsweise Fehlinterpretationen von Studienergebnissen ein, erklärt dabei die Bedeutung von Interventions- und Beobachtungsstudien und erläutert, wie es kommt, dass eine Studie zu unterschiedlichen Aussagen führen kann.
Im Gesundheitswesen gibt es viele Akteure mit unterschiedlich gelagerten Interessen: Forscher, Pharmafirmen, Zulassungsbehörden und Institutionen, die über Therapien entscheiden. Ziel aller Beteiligten muss es laut dem Heidelberger Mediziner sein, Standards zu etablieren, die zu validen Auswertungen führen. Warum können Therapiestudien nicht vermehrt von staatlichen Stellen an-gefertigt werden? Liegen eindeutige Ergebnisse vor, muss in Folge die Frage der sinnvollen Therapie gestellt werden: eine Therapie soll nur dann zur Anwendung kommen, wenn sie zweifelsfrei einen positiven Einfluss auf das jeweilige Leben für den Patienten hat. „Ein teures Krebspräparat, das das Leben um 1-5 Monate verlängert ist nicht für viele, sondern nur wenige Patienten aus deren eigener Sicht relevant“, urteilt der Experte. Seiner Meinung nach, sollten Ärzte in die Lage versetzt werden, Zusammenhänge von Ursache und Wirkung zu erkennen und dies mit dem Patienten und seinen Angehörigen zu besprechen,“ fordert der Mediziner weiter und zeigt auch hier Lösungsszenarien auf.
In seinem knapp 300 Seiten umfassenden Plädoyer proklamiert Nawroth den Weg von der evidenzbasierten zur sinnorientierten Medizin. Dass dabei alle Interessenvertreter einen Platz am runden Tisch bekommen müssen, ist die Voraussetzung für den Erfolg der radikalen Umkehr. Denn ihm gehe es nicht um den Ansehensverlust von Pharmafirmen oder um Schelte anderen Player im Gesundheitswesen. Über allen Bemühungen sollten aber nicht rein wirtschaftliche Interessen ste-hen, sondern vor allem der Mensch.
Den Medien räumt Nawroth eine unverzichtbare Rolle im Prozess der Veränderung ein, da sie es vermögen, mit ihrer kritischen Auseinandersetzung den nötigen öffentlichen Druck aufzubauen.
Prof. Dr. Dr. h.c. Peter Paul Nawroth ist Direktor der Abteilung Innere Medizin und klinische Chemie am Universitätsklinikum Heidelberg. Zudem ist er Head der Division: Joint Heidelberg-ICD Translational Diabetes Program, Helmholtz-Zentrum München.
Peter Paul Nawroth
Gebt der Medizin ihren Sinn zurück!
Aufruf zu einer radikalen Umkehr im Gesundheitswesen
2019. 310 S., 2 Abb.
Softcover € 19,99 € (D) | € 20,55 (A) | sFr 21.00 (CH)
ISBN 978-3-662-57633-5
Auch nur als eBook verfügbar
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Informationen zum Buch
www.springer.com/de/book/9783662576335
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