Jugendbeteiligung beim Wort genommen
Wissenschaftler und Tübinger Studierende veröffentlichen gemeinsamen Sammelband zur politischen Teilhabe junger Menschen
Wiesbaden, 17. November 2015
„Die landläufigen Etikettierungen der jungen Generation als ‚politikverdrossen‘ oder ‚demokratiemüde‘ sind in dieser Pauschalität zu kurz gegriffen“, fassen Jörg Tremmel und Markus Rutsche die Ergebnisse des Springer VS-Sammelbandes Politische Beteiligung junger Menschen zusammen, der rechtzeitig zur Veröffentlichung der aktuellen Shell-Jugendstudie erschienen ist. Eine entsprechende Offenheit des jeweiligen Umfelds vorausgesetzt, seien junge Menschen willens und in der Lage, ihre Lebenswelt gemäß ihren eigenen Vorstellungen zu formen und sich an ihrer Gestaltung zu beteiligen. Warum hierzulande aber auf absehbare Zeit dennoch keine Jugendproteste größeren Ausmaßes wie etwa in den südeuropäischen Ländern zu erwarten sind, erklärt einer der Buchbeiträge, die sich aus empirischer und normativer Sicht mit den Formen und Bedingungen der politischen Partizipation junger Menschen beschäftigen.
„Allein schon das Zustandekommen des Sammelbandes bietet ein anschauliches Beispiel dafür, wie die Einbindung junger Menschen in Strukturen, die ihnen oftmals verschlossen bleiben, gelingen kann“, sagen Jörg Tremmel und Markus Rutsche. Denn das Werk stellt ein Gemeinschaftsprojekt von Tübinger Studierenden mit zahlreichen Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Praxis dar. Die Beiträge im Buch zeigen, dass Partizipation nicht nur auf konventionelle Weise in politischen Institutionen erlernt und eingeübt werden kann, sondern dass auch das Bildungssystem, die eigene Familie sowie das soziale Umfeld – etwa in Vereinen oder Verbänden – eine wichtige Rolle bei der Herausbildung von jugendlicher Beteiligungsbereitschaft spielt. Gerade aufgrund des langen Verbleibs junger Deutscher in bildungspolitischen Institutionen sowie aufgrund der ausgeprägten Kultur des „pragmatischen Individualismus“ sei aber nicht zu erwarten, dass sich diese Gegebenheiten hierzulande auf absehbare Zeit in Jugendproteste größerer Dimensionen übersetzen lassen.
Neuartige Beteiligungsmodelle – wie etwa das noch weitgehend unbekannte Instrument der Nachwuchs- bzw. Jugendquoten oder umsichtig genutzte Methoden der Online-Beteiligung – könnten nach Meinung der Herausgeber dazu beitragen, dass die politische Beteiligung junger Menschen nicht nur ein wohlklingendes Ideal bleibt, das in immer wiederkehrenden Sonntagsreden beschworen wird. Ein gelungenes Beispiel hierfür ist das im Buch vorgestellte Jugendbeteiligungsmodell in Biberach an der Riss, dem es in einem langfristig angelegten Beteiligungsprozess gelang, eine hohe Intensität der Beteiligung erfolgreich mit einer großen Zahl an Beteiligten zu verbinden. Dass auch im Hinblick auf eine mögliche Herabsetzung des Wahlalters das letzte Wort noch nicht gesprochen ist, mag für manche eine überraschende Erkenntnis nach der Lektüre des Sammelbandes sein, so Tremmel und Rutsche abschließend: „Aber es spricht in jedem Fall viel dafür, wahlwilligen älteren Kindern und Jugendlichen den Gang zur Urne zu ermöglichen.“
Neben einführenden und systematisierenden Beiträgen behandelt der Band die Themenfelder Wahlrecht für Minderjährige, Internetbeteiligung und E-Partizipation junger Menschen, Jugendquoten sowie aktuelle Fallstudien zur politischen Beteiligung junger Menschen in Baden-Württemberg.
Dr. Dr. Jörg Tremmel ist Juniorprofessor für Generationengerechte Politik am Institut für Politikwissenschaft der Universität Tübingen.
Markus Rutsche ist wissenschaftlicher Assistent an der Universität St. Gallen (HSG) und Mitarbeiter am Tübinger Arbeitsbereich für Generationengerechte Politik.
Jörg Tremmel | Markus Rutsche (Hrsg.)
Politische Beteiligung junger Menschen
Grundlagen – Perspektiven – Fallstudien
2016, 505 S.
Softcover € 44,99 (D) | € 46,26 (A) | sFr 47.50 (CH)
ISBN 978-3-658-10185-5
Auch als eBook verfügbar
Bild: Coverabbildung des Buchs Politische Beteiligung junger Menschen von Springer VS | © Springer
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