Führungskräfteauswahl: Schmidt sucht Schmidtchen
Wie die Diversität und der Anteil von Frauen in Führungspositionen erhöht werden können
Wiesbaden, 13. Oktober 2015
„Im Gegensatz zur Auswahl von Mitarbeitern auf niedrigeren Hierarchieebenen ist das Recruiting von Managern unstrukturiert“, stellt Tanja Schwarzmüller im Interview mit dem Wissensportal Springer für Professionals fest. Häufig würden Führungskräfte über informelle Gespräche, zum Beispiel beim Mittagessen, rekrutiert – Vitamin B spiele dabei eine zentrale Rolle. „Daneben ist die homosoziale Reproduktion das Hauptproblem bei der Besetzung von Managementpositionen“, fährt Isabell M. Welpe fort. Oft stellten Unternehmen Kandidaten ein, die der bestehenden Führungsriege in Erfahrungen, Auftreten und Anschauungen am ähnlichsten sind – eine Suche, die sich nach Ansicht der beiden Expertinnen gut mit „Schmidt sucht Schmidtchen“ zusammenfassen lässt. Warum das ein Problem ist und wie Stereotype bei der Auswahl von Führungskräften umgangen werden können, beleuchten Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft, Medien und Politik im Springer Gabler-Buch Auswahl von Männern und Frauen als Führungskräfte, das Welpe und Schwarzmüller gemeinsam mit Prisca Brosi und Lisa Ritzenhöfer herausgegeben haben. Wissenschaftliche Beiträge, Erfahrungsberichte und Interviews ermöglichen den Transfer zwischen Forschung und Praxis – ein Fokus liegt dabei auf dem Thema Frauen in Führung.
„Die Auswahl und Beurteilung von Führungskräften ist einer der wichtigsten Personalprozesse in Unternehmen und stellt Personalentscheider und Organisationen vor große Herausforderungen“, schreiben die Herausgeberinnen in der Einleitung ihres Buches. Denn die Auswahl sei mehrdimensional und müsse häufig mit begrenztem Vorwissen und innerhalb kürzester Zeit durchgeführt werden. Auf Grund dieser Komplexität biete sie Raum für Stereotype, die unter anderem zu wenig heterogenen Managementteams führen. „Homogene Managementteams ermöglichen eine relativ reibungslose Zusammenarbeit, solange die Unternehmens(um)welt stabil ist – sie sind jedoch für Krisen, in denen divergentes Denken, Flexibilität und Kreativität gefragt sind, denkbar schlecht aufgestellt“, sagt Isabell M. Welpe. Darüber hinaus falle es homogenen Managementteams schwerer, den Bedürfnissen ihrer diversen Kundschaft vorzugreifen.
Ein weiteres Problem ist die nach wie vor vorherrschende Unterrepräsentation von Frauen in Führungspositionen, so Welpe weiter: „Wenige Frauen als Führungskräfte sind meist weniger das Ergebnis von Diskriminierung, wie vielfach angenommen, sondern ebenfalls die Folge unbewusster Stereotype über die Eigenschaften und Rollen von Männern, Frauen und Führungskräften.“ Während Männern die für Führungspositionen notwendigen Eigenschaften wie Durchsetzungsstärke, Entscheidungsfähigkeit und Machtstreben eher zugeschrieben würden, würden Frauen insgesamt als freundlich, zuvorkommend und prosozial gelten – Eigenschaften, die zwar positiv konnotiert sind, mit dem vorherrschenden Bild von Führungskräften jedoch nicht übereinstimmen. Unbewusst würden Frauen für Führungspositionen daher als weniger geeignet gesehen und seltener für diese eingestellt.
Ob per Headhunter oder über unternehmenseigene Kanäle rekrutiert wird, hält Tanja Schwarzmüller dagegen für nicht entscheidend. Wichtig sei vielmehr die Art und Weise, in der die Auswahl der Kandidaten erfolgt und deren Eignung festgestellt wird. Die Herausgeberin fordert daher eine strukturiertere Vorgehensweise: „Die Anforderungen an zukünftige Stelleninhaber müssen bereits vor Beginn des Auswahlprozesses klar definiert werden und anschließend mit verschiedenen Verfahren bei allen Kandidaten so präzise wie möglich gemessen werden.“ Zu guter Letzt sollten Personalentscheidungen dann auf Grundlage dieser Ergebnisse ge-troffen werden – und nicht auf Basis des eigenen Bauchgefühls, welches in komplexen Beurteilungssituationen häufig trügerisch ist.
Professor Dr. Isabell M. Welpe ist Inhaberin des Lehrstuhls für Strategie und Organisation der TU München. Sie forscht zu den Bereichen Führung, Zukunft der Arbeit, Einfluss von Digitalisierung auf Organisationen und Unternehmen sowie strategischer Innovation.
Dr. Prisca Brosi ist Post-Doc am Lehrstuhl für Strategie und Organisation. Ihre Forschungsinteressen liegen im Bereich Führung, Diversity und Emotionen im Arbeitsleben.
Dipl.-Psych. Lisa Ritzenhöfer ist Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Strategie und Organisation. In ihrer Forschung beschäftigt sie sich mit Emotionen und Vertrauen in Führungskräfte.
Dipl.-Psych. Tanja Schwarzmüller ist Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Strategie und Organisation. Sie forscht zu Emotionen bei Führungskräften und Stereotypen in der Personalauswahl.
Isabell M. Welpe | Prisca Brosi | Lisa Ritzenhöfer | Tanja Schwarzmüller (Hrsg.)
Auswahl von Männern und Frauen als Führungskräfte
Perspektiven aus Wirtschaft, Wissenschaft, Medien und Politik
2015, 770 S.
Hardcover € 49,99 (D) | € 51,39 (A) | sFr 53.00 (CH)
ISBN 978-3-658-09468-3
Auch als eBook verfügbar
Bild: Coverabbildung des Buchs Auswahl von Männern und Frauen als Führungskräfte von Springer Gabler | © Springer
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